Unterwegs in Poznań – eine polnische Perle

Nur wenige Deutsche kennen Poznań (Posen) den Geburtsort Polens.
Hier gibt es alles: exzellente Küche, moderne und geschichtsträchtige Architektur, Kunst und Kultur

Magisch – der Glasbrunnen auf dem zentralen Platz der Freiheit. Die Anlage wurde im Sommer 2012 gebaut. Bei wärmeren Temperaturen können sich die Besucher darin abkühlen, sogar ein Bad nehmen. Nachts strahlt der Brunnen bunt. Foto: Gaby Berndt

Reisen nach Posen? Warum eigentlich nicht? Die westpolnische Stadt an der Warthe und Hauptstadt der Woiwodschaft Wielkopolska (Großpolen) hat viel zu bieten. Allein das Flair dieser aufstrebenden Stadt, ihre Farbenpracht, die vielen hochmodernen und geschichtsträchtigen Gebäude, eine reichhaltige Kunst und Kultur laden dazu ein, genauer hinzusehen, die Stadt zu erleben. Mit dem 14. UN-Weltwirtschaftsgipfel 2008 in Poznań wurden Hunderte neue Straßenbäume gepflanzt, städtische Parks angelegt, Museen, Schlösser und Kirchen renoviert. Ziel der Stadtväter war und ist es, ihre Stadt attraktiver zu gestalten, ihr noch mehr Glanz zu verleihen, aber auch nachhaltig zu wirtschaften. Die Posener definieren sich als „Zentraleuropäer“, sie seien „fleißig, hart arbeitend und gut organisiert“, wie auf ihrer städtischen Homepage festgehalten. Nicht zu vergessen: Posen gilt als Wiege des polnischen Staates, ist ein bedeutender internationaler Messestandort mit Schwerpunkt Konsumgüter, ein Zentrum der Industrie, Wirtschaft und Forschung. Unschlagbar – die Polnische Küche. Alles Gründe, sich auf den Weg zu machen, einzutauchen in das pulsierende Leben dieser 540 000-Einwohner-Metropole.

Viele der alten Patrizierhäuser rund um den Alten Marktplatz wurden im Zweiten Weltkrieg zerstört, wiederaufgebaut oder rekonstruiert. Mittendrin: das „Brovaria“, eine Bierbrauerei mit Lokal vom Feinsten, besonders beliebt bei jungen Leuten und Touristen.

Kaum angekommen, lernen wir unsere Stadtführerin Katharina Tymek kennen. Sie wird uns drei Tage lang begleiten.

Nach einem kurzen Spaziergang im naheliegenden Park Dąbrowskiego geht´s los – hinein ins Getümmel. Vorher verrät uns Katharina: „Ich habe mich verliebt in diese Stadt. Viele aus Deutschland kennen Danzig, Krakau und Stettin, vielleicht auch Warschau oder Grünberg, aber Posen nicht.“ Ihre Gäste seien völlig überrascht, hätten nicht erwartet, solch eine großartige Stadt mit so vielen touristischen Attraktionen vorzufinden. „Posen gehört zu den schönsten und ältesten Städten Polens, hat eine interessante deutsche Vergangenheit“, erzählt Katharina. Voller Leidenschaft für ihre Stadt springt der Funke auf uns über, spannt sie den Bogen zwischen Gestern und Heute, erläutert, wie eng die deutsch-polnische Geschichte miteinander verstrickt ist. Posen – die Stadt der Könige und Kaiser! Dahinter zu steigen, bleibt wohl für die meisten Touristen eine Hausaufgabe.

1793 jedenfalls geriet Posen unter preußische Herrschaft, wurde später kaiserliche Reichsstadt. Ab 1939 bis 1945 stand Posen unter deutscher Besatzung. Dazwischen, von 1918 bis 1939, lag die sogenannte „Polnische Zwischenkriegszeit“. In dieser Periode wurden Posen und weite Teile der preußischen Provinz Posen dem restaurierten polnischen Staat angegliedert, verließen 50 000 Deutsche von 60 000 die Stadt.

Heute profitiert Posen von vielen polnischen und deutschen Traditionen. Erfreulich, wie gepflegt und sauber es hier überall ist. Schmierereien an Wänden? Fehlanzeige. Ich konnte nichts dergleichen entdecken. Dafür so manches kreative Wandbild. Farbtupfer für die Stadt. 

 „110 000 Studierende gibt es in Posen an acht staatlichen und 20 privaten Universitäten“, erfahren wir von Katharina. Ein Trumpf für die Provinzhauptstadt. Dies spiegelt sich auch in den vielen Restaurants, Cafés, Pubs, Klubs, Kneipen und Bars wider.

Allabendlich begegnen sich Posener und ihre Gäste bei Konzerten, auf Festivals, im Kino oder Theater, allesamt schick gekleidet, locker drauf.

Ein gigantisches, futuristisches Bauwerk – das Stary Browar in Posen. 2003 wurde die ehemalige Brauerei aus dem 19. Jahrhundert als Shopping-Center wiedereröffnet.
Leidenschaftlich und voller Energie begleitete Stadtführerin Katharina Tymek (l. vorn im Bild) eine Journalisten-Gruppe von CTour aus Berlin. Die Polin hat reichlich zu tun, immerhin besuchen jährlich neun Millionen Touristen aus aller Welt die Stadt.

Genug der Vorrede. Los geht´s zum Stary Browar, ein Kultur- und Geschäftszentrum nahe der Altstadt von Posen. Vor uns imposante Fassaden, eine grandiose Architektur, alles auf 130 000 Quadratmetern. Es ist Freitagnachmittag, die Leute strömen umher, bepackt mit Taschen und Einkaufstüten. 2003 eröffnete dieser Komplex, wurde die alte Brauerei in ein Shoppingcenter verwandelt, versehen mit einer Kunstgalerie, bemerkenswerten Schauobjekten. Zum Areal gehören ein Cafégarten, Clubs, ein Park und ein Hotel. Draußen posiert Katharina vor dem zweitgrößten Bierkrug der Welt. Sein Fassungsvermögen – 6000 Liter.

Ziegenböcke – Symbol von Posen

Von hier aus laufen wir zur Altstadt, zum ehemaligen Kaiserschloss. Wuchtig steht die „Zwingburg im Osten“, wie es hieß, vor uns, für Kaiser Wilhelm II. zwischen 1905 und 1910 im neoromanischen Stil errichtet. Die Anlage mit ihren 600 Räumen ist der größte noch erhaltende Schlossbau der Hohenzollern. Sie gilt als Symbol der deutschen Herrschaft über ehemals polnische Gebiete. Nach dem Ersten Weltkrieg übernahm der polnische Präsident das Domizil. Von 1939 bis 1945 befand sich hier die „Führer- und Gauleiterresidenz“ im „Wartheland“.

Ein geschichtsträchtiges Gebäude – das Kaiserschloss, ehemals Residenz von Kaiser Wilhelm II., ab 1939 bis 1945 deutsche „Führer- und Gauleiterresidenz“. Hier im Bild: das Portal des Schlosses.
Sehr gut informiert mit Katharina, hier beim Erklären des Kaiserschlosses. Eine gigantische Anlage mit 600 Räumen.
Sehr gut informiert mit Katharina, unserer Stadtführerin.

„So richtig anfreunden konnten sich die Posener nie mit dem Schloss“, schildert Katharina die Lage. „Schon gar nicht als Geschenk der Deutschen nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie wollten den Koloss eher in die Luft sprengen.“ Zu viel Leid mussten die Bürger mit dem Einmarsch der deutschen Wehrmacht 1939 ertragen, miterleben, wie ihre Stadt und Region germanisiert wurde.

Heute gibt es im Schloss das Kulturzentrum „Zamek“ mit Ausstellungen, Animationstheater, Kino, Konzerten, Bildung und Jugendarbeit.

Geheimnisvoll präsentiert sich das Chiffrenzentrum Enigma im Posener Kaiserschloss. Hier können sich Besucher auf eine spannende Zeitreise einlassen, ausgerüstet mit Audio-Guide. An gleicher Stelle befand sich eine Fakultät der Poznańer Universität. Einigen Absolventen dieser Uni gelang es in den 30er Jahren, den deutschen Enigma-Code zu knacken. Das Ganze Drum und Dran dieser Geschichte, die Enigma-Entschlüsselung und Verschlüsselungsmethoden werden im Museum dargestellt.

Immer ein Motiv wert: die 3-D-Wandmalereien im Stadtteil Śródka. 2016 wurde dieses Kunstwerk zu einem der neuen polnischen Wunder erklärt, in einem von National Geografik Traveler organisierten Wettbewerb.

Am zweiten Tag geht es zunächst zum ältesten Stadtviertel von Posen – nach Śródka. Hier erblicken wir fantastische 3-D-Wandmalereien. Eine gelungene optische Täuschung. Damit soll die Geschichte des Stadtviertels lebendig werden, mit einem Fürsten, Trompetenspieler, einer Katze sowie einem Metzgerladen. 2016 wurde das Kunstwerk zu einem der neuen polnischen Wunder erklärt, in einem von National Geografik Traveler organisierten Wettbewerb.

Von hier aus erreichen wir die Dominsel sowie das Multimedia-Museum Porta Posnania. Allein dafür sollte man viel Zeit mitbringen. Hier werden die Ursprünge des polnischen Staates beleuchtet, die Anfänge der Geschichte von Posen. Die Besucher erhaschen interessante Einblicke vom Mittelalter bis zur Neuzeit, mit einem „Hauch von polnisch-katholischer Propaganda“, wie in einem Text über die Kulturstätte beschrieben. Eine eiserne Brücke verbindet die beiden ältesten Stadtteile Posens – Śródka und die Insel Ostrow Tumski (Dominsel). In der dortigen Kathedrale liegt der Gründungsherrscher von Polen, Piastenfürst Mieszko I., begraben. Vor mehr als 1000 Jahren ließ er hier eine Burg und eine Kirche bauen. Damit einte er mehrere slawische Stämme, trat 966 zum Christentum über und legte damit den Grundstein für den polnischen Staat. Seither gilt Posen als Wiege der Nation.

Im Porta Posnania werden die Ursprünge des polnischen Staates beleuchtet, die Anfänge der Stadt Posen dargestellt, alles mit Audio-Guides und Multimedia Displays. Eine bemerkenswerte Ausstellung.

Die Zeit rast uns davon. Was kommt als nächstes? Die Ziegenböcke! Sie dürfen wir keinesfalls verpassen: das Symbol von Posen. Täglich um die gleiche Zeit versammelt sich eine riesige Menschentraube vor dem Turm des Alten Rathauses, um das Spektakel zu erleben. Gespannt starren auch wir auf die Rathausuhr, bis zum erlösenden Gong – 12 Uhr. Wie von Geisterhand tauchen blitzartig zwei blecherne Ziegenböcke über der Turmuhr auf, um mit ihren Hörnern zusammenzustoßen.

Symbol von Posen – zwei Ziegenböcke am Turm des Alten Rathauses. Punkt 12 Uhr versammelt sich hier täglich eine riesige Menschentraube, um zu sehen, wie die Böcke mit ihren Hörnern zusammenstoßen.
Das Posener Martinshörnchen – laut Gesetz darf dieses traditionelle Gebäck nur in der Stadt Posen oder deren Umgebung hergestellt werden. Zwei Millionen Stück werden allein am Martinstag verkauft.
Ein Blickfang am Alten Markt in Posen – das Alte Rathaus mit zwei Rathausuhren.

Über Gästemangel muss das St. Martinscroissant Museum in Posen am Tag unseres Besuches nicht klagen. Wer hier über die Schwelle schreitet, dem steht eine vergnügliche Stunde mit Chefbäcker Krzysztof und seinem Assistenten Robert bevor. Die Zuhörer erfahren, woraus das beliebte Gebäck mit weißem Mohn, auch Martinshörnchen genannt, besteht, wie es vorbereitet und gebacken wird. Am Ende gibt es ein Zertifikat für die Hörnchenbäcker in spe. Alljährlich zum Martinstag werden zwei Millionen Stück dieses beliebten regionalen Produkts in speziellen Bäckereien verkauft. „Hiermit erinnern sich die Menschen an das eigentliche Anliegen des Heiligen Martins, an das Miteinanderteilen“, klärt uns Katharina auf.

Besuchermagnet – Maltasee

Auf geht es wieder an die frische Luft – zum Platz der Freiheit. Hier fühlt sich unsere Begleiterin Katharina in ihrem Element. Diese Weite! Das bunte Treiben am Glasbrunnen! Ein schöner Ort, seine Seele baumeln zu lassen. Rings um den Platz prächtige Bauten, wie das Nationalmuseum, das ehemalige Hotel Bazar und die Raczyński-Bibliothek. Nicht weit weg vom Platz der Freiheit – das Polnische Theater und das Große Theater.

Kein großes Theater, dafür ein ganzer Reigen von Chorauftritten erwartet uns beim 15. Internationalen Chorfestival in Posen im Collegium Minus der Adam-Mickiewicz-Universität. Wir sind mittendrin im Finale des Universitas Cantat 2022, dürfen einzigartigen Stimmen von jungen Sängerinnen und Sängern lauschen. Wir lassen die Klänge nachhallen, wollen noch ins „Brovaria“ am Alten Markt, ein Magnet für Einheimische und Gäste aus aller Welt. Hier ist der Saal prall gefüllt, sind Bierbrauer am Werke. Brillante polnische und europäische Spezialitäten sowie regionales, geschmackreiches Bier landet auf dem Tisch. Alles stilvoll, in modernem Ambiente, mit netter und flinker Bedienung. Hier wird schon mal angestoßen auf die tolle Zeit in Posen. „Ich fühle mich hier jünger als ich bin“, findet die 65-jährige Marina S. aus Berlin. „Überall junge Leute, so viel Schwung, freundliche Menschen.“ Ihr gefällt das „Wechselspiel zwischen Stadtgeschichte und Moderne, dass es um Posen herum sieben Seen gibt, so viele Parks mit viel Grün“. Ihr Wunsch für die Stadt: „Viele Besucher.“

Unschlagbar – die polnische Küche, hier eine Vorspeise, Piroggen mit Kartoffel-Quarkfüllung. Allein davon wird man schon satt. Ansonsten sehr empfehlenswert: die polnische Sauerteigsuppe Zurek oder Bigosch.

Diese werden auch in der Umgebung von Posen fündig. Hier gibt es alles, was Kinderherzen höherschlagen lässt, zur Freude der ganzen Familie. So beispielsweise am nahegelegenen Maltasee mit Sommerrodelbahn, Skipiste, Badestrand, Zoo, Wasserskianlage und vielem mehr.

Am letzten Tag fahren wir zum Schloss Rogalin, 20 Autominuten von Posen entfernt. Schon ein erster Blick auf den Museums-Palast, wie es auch heißt, ist vielversprechend. Wie schön mag es erst drinnen aussehen? Unglaublich, so mein Eindruck, als würden die Besitzer noch hier wohnen, alles so gemütlich und geschmackvoll eingerichtet, mit Ahnenbildern, Bibliothek, zauberhaften Seidentapeten und grandiosen Blicken in den Rokokogarten.

Sehr zu empfehlen – ein Besuch im Schloss-Museum Rogalin, 20 Kilometer von Posen entfernt. Das Anwesen wird durch eine Stiftung der Nachfahren eines der ehemaligen Besitzer, Kazimierz Raczynski, verwaltet. Eigentümer ist das Nationalmuseum in Posen.

500 Gemälde sind hier zu bewundern, edles Inventar. Erworben hat das Schloss einst Kazimierz Raczyński (1739-1824), dies im Jahre 1766 mit Rang eines Landrats von Großpolen. Am Ende unserer Reise besichtigen wir noch die Remise mit uralten Kutschen, spazieren durch den Schlosspark und ein kurzes Stück durch den umliegenden Landschaftspark. Die Parkfrische hat uns gutgetan. Es könnte ewig so weitergehen.

Weitere Informationen

www.kultura.poznan.pl
www.POZnan.travel
Polen.travel

Die Recherchereise fand im Rahmen der Kooperation des Polnischen Tourismusamtes Berlin mit dem Club der Reisejournalisten CTOUR statt und wurde vom Polnischen Tourismusamt unterstützt.