Per Pedelecs auf Genusstour

Die Region Karlsruhe, Baden, Pfalz und Elsass lockt auch im Herbst

mit traumhaften Landschaften / Winzer laden zu Weinkostproben ein

Wohin reisen in Corona-Zeiten? Statt Fernziele rücken immer mehr Inlandsregionen ins Visier, auch um Neues mit dem Fahrrad zu entdecken. Was liegt da näher, unsere Genusstour dort zu beginnen, wo die Ursprünge dieses Gefährts liegen, in Karlsruhe. Hier konstruierte Karl von Drais anno 1817 das Urfahrrad, eine Laufmaschine. Sie „gilt als Urknall der Mobilitätsgeschichte“, wie es im Klappentext des Buches „Automobilität“ von Hans-Erhard Lessing heißt. „Denn erstmalig setzte der Mensch auf Maschinen statt auf Pferde.“ Und so kam es, dass die Rheinmetropole ein ganz besonderes Verhältnis zu Fahrrädern entwickelt hat. Kein Wunder also, dass Karlsruhe 2019 vom ADFC als fahrradfreundlichste Stadt in Deutschland gekürt wurde.

Wie fing alles an mit dem Fahrrad? Der Autor des Buches „Automobilität“ Hans-Erhard Lessing ging der Sache akribisch auf den Grund. Im Verkehrsmuseum Karlsruhe erfahren Besucher mehr über den Erfinder des Urfahrrades und gebürtigen Karlsruher Karl Drais.  
Foto: Ausschnitt vom Cover des Buches „Automobilität“

„Wir haben ein gut ausgebautes Verkehrsnetz“, freut sich Michael Bartholomaeus, Chefredakteur der Europäischen-Insidertipps-Redaktion in Karlsruhe. „Dadurch sind ausgedehnte Radtouren möglich.“ Dem Organisator des Rad-und Genuss-Events liegt viel daran, seine Heimatstadt und ihr Umland anderen nahe zu bringen, mit all seinen Facetten. Vornehmlich in Karlsruhe pulsiert das Leben, versteht man zu feiern, sein Dasein zu genießen, schließlich zählt die Stadt zu den wärmsten Regionen Deutschlands.  Wir bestreiten unsere fünftägige Genusstour per E-Bike, genauer per Pedelec. Geplant sind Ausflüge nicht nur in Karlsruhe, sondern ebenso in die Ländereien Baden, Pfalz und Elsass.

Die Pfalz, landschaftlich und kulinarisch ein Paradies. Auch viele junge Winzer bieten hier Qualitätsweine an.

Bevor es für unsere Reisegruppe mit den Rädern losgeht, erfahren wir viel Interessantes über die rund 300 Jahre alte Stadt Karlsruhe. Neben ihrem prächtigen Stadtschloss erweist sich die Pyramide auf dem Marktplatz als beliebtes Fotomotiv. Karlsruhe zählt als Stadt der Wissenschaft. Ihr Institut für Technik (KIT), eine Technische Universität und nationales Forschungszentrum, gehört weltweit zu den Spitzeneinrichtungen seiner Art.

Noch vor Beginn unserer eigentlichen Radausflüge geht es nach Edesheim in der Pfalz. Auf fast ebener Strecke gewinnen wir einen ersten Eindruck von der Schönheit der Region. Es ist Herbst, Zeit der Weinlese. Wir fahren vorbei an prall gefüllten Apfel- und Birnbäumen, an riesigen Maisfeldern und bunt leuchtenden Wiesen. Zwischen den Reben rattern Erntemaschinen. Edesheim liegt an der südlichen Weinstraße und wird hauptsächlich durch Weinanbau geprägt. Wir fahren durch das „Deutsche Weintor“, ein denkmalgeschützter Torbau mit Nebengebäuden.

Ein toller Moment für die Radlertruppe: Halt am „Deutschen Weintor“ in der südpfälzischen Weinbaugemeinde Schweigen-Rechtenbach (Rheinland-Pfalz). Dies markiert seit 1936 den südlichen Beginn der Deutschen Weinstraße.
Foto: M. Bartholomaeus

Im Weingut Anselmann werden wir mit einem Glas Sekt aus hauseigener Produktion begrüßt. Die Geschwister Ruth und Ralf Anselmann führen uns durch ihren Betrieb, dessen Tradition bis ins Jahr 1126 zurückreicht. In der Weinstube werden Urkunden präsentiert, für Prämierungen und Auszeichnungen bei nationalen und internationalen Wettbewerben. Fotos mit prominenten Besuchern aus der ganzen Welt schmücken die Wände. Heute zählt das Weingut mit 150 Hektar Anbaufläche zu den größten familiengeführten Weingütern Deutschlands. Zur Anlage gehört ein Gartenrestaurant, das vor allem bei schönem Wetter viele Gäste anzieht. Auch wir lassen es uns dort gut gehen an diesem Altweibersommer-Abend, bei einer Weinprobe mit Pfälzer Köstlichkeiten, bevor wir mit der Bahn zu unserem Quartier in Karlsruhe zurückfahren.

Zum Start der ersten Etappe unserer Tour treffen wir uns am nächsten Morgen vor dem SIST Hotelturm, dem kleinsten Hotel in Karlsruhe. In einem ehemaligen Wasserturm befindet sich ein einzigartiges Apartment, ein romantischer Ort besonders für Brautpaare.

Das kleinste Hotel in Karlsruhe: ein ehemaliger Wasserturm, mit einem einzigartigem Apartment, besonders gefragt bei Brautpaaren.

Gestärkt mit einem kleinen Imbiss radeln wir Richtung Schweigen-Rechtenbach. Knapp 40 Kilometer liegen vor uns, mit kleineren Hügeln und wenig Steigungen. Der Radweg führt durch das Weinanbaugebiet Pfalz und die Rheinebene, vorbei an der deutsch-französischen Grenze bis zum Weingut Leiling.

Hier bewirtschaftet David Leiling mit seinen Eltern fünfzehn Hektar Weinanbaufläche. Ein Großteil der Weinberge des traditionsreichen Weingutes liegt auf der französischen Seite. Es ist der kalkgeprägte Boden, der die Region zu einem Vorzugsort für Burgundersorten und Riesling macht. Der Seniorchef Herbert Leiling und seine Frau haben mit ihrer liebevoll und detailgetreu renovierten Villa ein romantisches Kleinod geschaffen. Darin befindet sich eine Weinmanufaktur mit antikem Mobiliar, Lampen und Gemälden. Im Keller reifen Weine in atmungsaktiven Holzfässern unter dem Schein antiker Kronleuchter. Stolz berichtet David, dass das Sandsteingebäude einst auf einem ehemaligen Weingut in Frankreich Stein für Stein abgebaut, mit dem Kleintransporter nach Schweigen transportiert und dort wieder originalgetreu aufgebaut wurde.

David ist nicht nur Weinexperte, sondern auch bildender Künstler. Voller Stolz präsentiert er uns seine Marke „Boom Bootles“. Ein Wein, der sich nicht nur durch seine Qualität, sondern auch wegen der besonderen Etikettengestaltung von anderen abhebt.

Bei angenehmen Temperaturen probieren wir im Gartenrestaurant einige Weine des Hauses. Dazu genießen wir einen deftigen Pfälzer Teller. Traditionell wird dieser mit Leberknödeln, Saumagen, Bratwurst an Bratkartoffeln und Sauerkraut gereicht. Gut gelaunt fahren wir mit der Bahn zurück nach Karlsruhe.

Pause muss sein: so wie hier an der Weinstraße in Frankreich, vor dem Weingut Cleeborg im malerischen Elsass.

Unser nächster Trip führt Richtung Frankreich. Wir durchqueren das malerische Elsass nach Rott ins Weinanbaugebiet Cleeborg, 60 km nördlich von Strasbourg. Kurz hinter der deutsch-französischen Grenze legen wir einen kurzen Stopp in Wissembourg ein, zu Deutsch Weißenburg. Diese kleine Gemeinde ist das Tor zum Regionalen Naturschutzgebiet der nördlichen Vogesen. In ihrer bezaubernden Altstadt erfreuen wir uns an historischen Fachwerkhäusern und romantischen Gassen. Wahrzeichen der Stadt ist die gotische Abteikirche Saints-Pierre-et-Paul. Sie ist mit ihren 1320 Quadratmetern Grundfläche, neben der Kathedrale in Straßburg, eine der größten Kirchen im Elsass.

Eine sehenswerte kleine Stadt mit schönen Fachwerkhäusern und romantischen Gassen: Wissembourg hinter der deutsch-französischen Grenze. Hier im Bild die gotische Abteikirche Saints-Pierre-et-Paul, neben der Kathedrale in Straßburg, eine der größten Kirchen im Elsass.

Noch einmal geht es einen kurzen Anstieg hinauf, bis wir die Winzergenossenschaft Cleebourg erreichen. 152 Winzer bauen in dieser optimal gelegenen Enklave sieben Elsässer Rebsorten an. Eine besondere Spezialität: ihr Crémant d´Alsace. Dieser Schaumwein wird aus elsässischen Trauben nach der Champagne-Methode hergestellt und ist sehr beliebt bei allen, die es prickelnd mögen.


Zurück, und diesmal bergab, geht es bis Schweighofen. Von hier aus fahren wir mit dem Zug zum Ausgangspunkt – Karlsruhe. Dass hier und um diese Stadt nicht nur Wein verköstigt wird, erfahren wir im Biergarten „Vogelbräu“. Rudi Vogel, diplomierter Brauingenieur aus Karlsruhe, eröffnete drei Hofbrauereien in seiner Geburtsstadt sowie in Durlach und Ettlingen, ein weiteres Bierlokal 2005 in Dresden, in dem sein unfiltriertes Bier serviert wird. Zum Stammangebot, Vogelbräu-Pilsner, gibt es je nach Saison noch spezielle Biersorten. Zurzeit besonders gefragt – das Rotbier, ein untergäriges, vollmundiges Bier mit dezenter Hopfennote. Dazu gibt es deftige Hausmannskost mit regionalen Produkten. Stolz führt uns Rudi Vogel durch seine Brauanlage. Nebenbei erfahren wir von seinem neuesten Steckenpferd – Brennen von Whiskey. Natürlich dürfen wir probieren und die Reinheit dieses Produktes genießen.

Sehenswert: Schloss Karlsruhe

Am nächsten Tag geht es mit den Rädern ins Kraichgau. 45 Kilometer liegen vor uns. Der Weg führt uns durch den Hardtwald, vorbei an Streuobstwiesen, Feldern und Weinbergen. Wir fahren über einen Golfplatz und erreichen unser Tagesziel, die Heitlinger Genusswelten. Dies ist ein Zusammenschluss der Weingüter Heitlinger und Burg Ravensberg, des 18 Loch Golfresorts, eines Hotels und Restaurants sowie einer Vinothek. Ihr Leitmotiv „Genießen, Golfen, Tagen, Wohnen und Entspannen inmitten von Weinbergen“ vereint ihre Philosophie, „Die schönen Dinge des Lebens, die sollte man nicht trennen“.

Herbstzeit heißt Erntezeit auch in Baden Württemberg mit seinen endlosen Weinanbaugebieten. Besonders beliebt sind Rotweine.

Hier in den kalkhaltigen Hügeln finden Burgunder-Reben wie Pinot Noir, Pinot Blanc, Pinot Gris, Pinot Meunier, Chardonnay und Auxerrois die gleichen idealen Bedingungen wie in ihrer französischen Heimat. Heute werden mehr als 80 Prozent der Rebfläche dafür genutzt.

Am letzten Tag unserer Tour geht es Richtung Schwarzwald, zunächst mit dem Zug bis Baden-Baden, Die Kur- und Bäderstadt hat auch als Medien-, Kunst- und internationale Festspielstadt einen guten Ruf. Bereits die Römer nutzten die heißen Thermalquellen am Rande des Schwarzwaldes. Das Kurhaus gilt als Herzstück der Kurstadt und als Wahrzeichen für Baden-Baden in aller Welt. Heute beherbergt es unter anderem ein Casino.


Blickfang für Touristen: die Trinkhalle, Herzstück und Wahrzeichen der Stadt in aller Welt.

Wir fahren daran vorbei und erklimmen mit unseren E-Bikes den Fremersberg, oberhalb von Baden. Vor uns präsentiert der Rosengarten seine außergewöhnliche Vielfalt, auf 700 Quadratmetern. Rosenbögen überspannen die Wege, Beete und Wiesen quellen über vor farbenprächtigen Blüten. Über den Garten hinweg blicken wir auf die Stadt und die Ausläufer des Schwarzwaldes. Jetzt geht es fast nur noch bergab oder auf gerader Strecke voran, bis wir unser Ziel erreichen – die Affentaler Winzergenossenschaft. Der Ursprung des Betriebes geht auf das Jahr 1908 zurück, als der Naturweinbauverein Affental gegründet wurde. Heute bewirtschaften etwa 980 Mitglieder eine Anbaufläche von 235 Hektar, mit Riesling und Spätburgunder bestückt. Weißer und Grauer Burgunder und weitere Sorten runden das Spektrum ab. Die wichtigste und bekannteste Weinmarke des Unternehmens ist der Affentaler, in der mit Riesling, Spätburgunder Roséwein und Spätburgunder Rotwein befüllten so genannten Affenflasche, ein Markenzeichen der Affentaler Winzer und begehrt auch im Ausland. Diese besticht durch ihr auffälliges Design mit einem gold- kupferfarbig lackierten Affenrelief.  

Gaumenfreude für Bierkenner: ein Pilsner unfiltriert im Biergarten „Vogelbräu“ . Neben dem Brauen von Bier brennt der Herr des Hauses, Brauingenieur Rudi Vogel aus Karlsruhe, auch Whisky.

Zum Mittag gibt es traditionell Schwarzwälder Schäufele mit Kartoffelsalat. Schäufele ist der süddeutsche Name für gepökelte flache Schweineschulter, auch unter dem Begriff Kassler bekannt. Dazu Weinproben. Wir radeln weiter nach Bühl, von hier mit der Bahn nach Durlach, die Mutter von Karlsruhe. Im dortigen „Vogelbräu“,dem jüngsten Kind Vogels, lassen wir den letzten Abend unserer Tour ausklingen, bevor wir mit der Straßenbahn zurück zum Hotel fahren.

So endete meine erste Radreise in der Region Karlsruhe, Baden, Pfalz und Elsass. Ich wäre gern länger geblieben, so viel gibt es hier zu sehen und zu erleben. Es lohnt sich, Land und Leute in dieser wunderschönen Gegend kennenzulernen, nicht zuletzt um mehr über Kunst und Kultur sowie über die Anfänge der Automobilität zu erfahren.

Wir bedanken uns an diese Stelle bei den zahlrechen Sponsoren, die diese Reise ermöglichten. Zusätzlich zu den im Text genannten Gastgebern geht unser Dank an:
Fahrradverleih „Swapfields“, die Wirtschaftsförderung B-W, den Sportausstattern „deuter“, „Gonso“ sowie der KVV.

Fotos: B. Stiebitz

Weitere Infos:

www.komoot.de/guide/356/radtouren-rund-um-karlsruhe